Was heute im Design-Beruf wirklich wichtig ist!

30. November 2020

Ein Interview mit Gerhard Nüssler, VP, Head of Global Design, Siemens Hausgeräte.

In diesem Blogbeitrag gewährt er uns spannende Einblicke.

 

Herr Nüssler, Sie sind seit 30 Jahren im Design tätig, davon seit mehr als 10 Jahren als Vice President & Head of Global Design, Brand Siemens bei der „BSH Home Appliance Group“ in München. Wenn wir auf Ihre Anfänge zurückblicken. Wie sah die Arbeit im Design in den 90er Jahren aus?

G.Nüssler (GN): Als ich Anfang der 90er Jahren meine berufliche Laufbahn in der renommierten Agentur Neumeister Design als Industrie Designer startete, wurde beispielsweise das komplexe Innenleben von Zügen noch mit dem „Rapidograph“ und der Zeichenmaschine gezeichnet. Der Fotokopierer war das elektronische Hilfsmittel, um einzelne Komponenten, wie z.B. die Sitzanordnungen, nicht 300 mal zeichnen zu müssen. Heute im digitalen Zeitalter fast unvorstellbar.

 

Was waren seit den 90er Jahren die größten Veränderungen im Design Bereich?

GN: Mitte der 90er Jahre kamen die ersten MACs zum Einsatz. Die Design-Software Freehand war für uns damals ein großer Fortschritt. Vom Zeichentisch verlagerte sich die Arbeit des Designers vor den Computer-Bildschirm. Der nächste Schritt waren dann die ersten 3D Software Programme. Die Arbeitsweise der Designer hat sich hierdurch nachhaltig verändert.

 

Welche technologische Entwicklung im Design war für Sie bahnbrechend?

GN: Die Entwicklung des 3-D-Drucks war für mich

persönlich die bahnbrechende Entwicklung der letzten Jahre, die noch viel Potential für die kommenden Jahre bietet. Eine Revolution war und ist der Fortschritt im User Interface Design , besonders im Hausgerätebereich, durch den Einsatz von TFT Displays. Diese technologische Entwicklung führte dazu, dass wir seit ca. 2017 speziell ausgebildete UI-Designer im Designteam aufgebaut haben.

 

Was waren rückblickend Ihre persönlichen Highlights?

G.Nüssler: Die Mitarbeit bei der kreativen Entwicklung der ICE Züge sowie den Zügen der Münchner U-Bahn waren für mich Höhepunkte am Anfang meiner Karriere. Sie war mit den damaligen Mitteln unheimlich herausfordernd und anspruchsvoll. Auch die Kreation der Hausgeräte für die Marken Neff und Siemens, speziell das Design der Einbaubacköfen, die das Herz der Küche sind,  gehört unbedingt zu meinen persönlichen Highlights.

 

Was erfüllt Sie mit Stolz?

GN: Mein letztes Projekt als selbstständiger Designer, die Transrapid Ausstellung am Flughafen München war ein Projekt, auf das ich wirklich stolz war.

Aber auch die Entwicklung meines Design-Teams von anfangs 10 Designern auf eine Größe von heute 30 Designern sowie die signifikante Erhöhung des Frauen-Anteils im Team erfüllt mich mit Stolz. Heute ist die Frauenquote eine politisch geführte Diskussion. Für mich gehörte diese schon vor Jahren zur modernen gesellschaftlichen Entwicklung dazu.

 

Wenn Sie auf die fachlichen und persönlichen Anforderungen an Designer blicken. Wie veränderten sich die Erwartungen an Designer in den letzten Jahren?

GN: Die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen ist, gerade für uns als Inhous-Designer, viel vernetzter geworden. Die Komplexität der Projekte ist angestiegen und somit spielt der persönliche Austausch zwischen Mitarbeitern verschiedener Disziplinen eine große Rolle. Kurz gesagt:

Kommunikationsfähigkeit ist der Trumpf.

Vor 30 Jahren hatten Unternehmen oft noch nicht so eine klare Marken-Identität definiert. Als Designer gaben wir den Produkten Ausdruck und der persönliche Geschmack, die „Handschrift“ des Designers war wichtig. Heute gibt es in allen Unternehmen klare CI-Manuals und Produktmarketing Experten, so dass meist ein sehr klares Markenbild als Grundlage für die Designentwicklung vorliegt. Designer arbeiten heutzutage auf Basis dieser Guidelines. Design-Codes schaffen einen Wiedererkennungswert.

Der persönliche Geschmack des Designers tritt in den Hintergrund zugunsten eines klaren Markenbildes. Dabei hat das Design, mehr denn je, den Anspruch, Innovation zu schaffen.

 

Wie haben sich die Anforderungen an die Führungskräfte im Design entwickelt?

G.Nüssler: Früher prägten Chef Designer die Stilistik, heute agieren sie in großen Design-Teams mehr als Coach und Sparring Partner für die Mitarbeiter. Die operativen Aufgaben sind sehr stark zurückgegangen. Hinzu kam der stärkere Austausch mit Führungskräften anderer Abteilungen. Auch dies zeigt, dass heute für Führungskräfte im Design die Kommunikation die Schlüssel-Fähigkeit ist. Dazu die Motivation und das Gespür für Menschen, um sie richtig einzusetzen.

 

Was würden Sie Unternehmen empfehlen, um sich im Design personell richtig aufzustellen?

GN: Neben der fachlichen Qualifikation sollten auch die persönlichen Anforderungen definiert und betrachtet werden. Freundlichkeit und Motivation werden vorausgesetzt und müssen in Stellenausschreibungen nicht mehr erwähnt werden. Ein klar definierter Recruiting-Prozess mit Anforderungen, die Design-Bewerber (m/w/d) vergleichbar machen, ist wichtig. Zum Beispiel können kurze Design-Präsentationen die Unterschiede in der Kommunikationsfähigkeit herausstellen und einen klareren Blick auf das kreative Potential des Bewerbers vermitteln.

 

Was zeichnet ein exzellentes Design-Team aus?

G.Nüssler: Die perfekte Mischung aus Charakteren, Qualifikationen und ein guter Team-Spirit machen ein exzellentes Team aus. Die Kommunikation untereinander muss konstruktiv und harmonisch sein. Ein guter Mix aus Erfahrungsträgern und Nachwuchskräften ist aus meiner Sicht genauso wichtig wie die Diversität.

 

Was würden Sie einem Nachwuchsdesigner (m/w/d) heute in Hinblick auf seine berufliche Entwicklung raten?

GN: Das Studium bietet die einmalige Chance unterschiedliche praktische Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen und Erzeugnisgebieten zu sammeln. Nachwuchsdesigner können sich so bereits während des Studiums Klarheit verschaffen, in welchem Bereich sie später einmal arbeiten möchten.

 

Ist Kreativität aus Ihrer Sicht ein Talent, das angeboren ist oder kann Kreativität sich auch durch Praxis entwickeln?

GN: Hier ist sicher beides richtig. Kreativität ist ein angeborenes Talent. Entscheidend ist, dass es ausgelebt wird. Kreativität entwickelt sich dann im Laufe einer Design-Laufbahn mit den Anforderungen und Freiräumen.

 

Design Awards sind der Goldstandard, wenn es um den Gewinn von Reputation eines Marken Design Teams geht. Welche Rolle spielen für Sie Design Awards?

G.Nüssler: Für mich waren die Design-Awards immer eine Bestätigung für den Team-Erfolg. Wie im Sport stehen auch Design-Teams unterschiedlicher Marken bei internationalen Design-Awards im Wettbewerb. Eine Auszeichnung kann für das Team gleichbedeutend, wie ein sportlicher Triumph gesehen werden.

 

Wie blicken Sie in die Zukunft des Designs? Was werden die Treiber der Entwicklung sein?

GN: Das Thema Nachhaltigkeit spielt in der Produktentwicklung und somit auch im Design eine immer größere Rolle. Unternehmen werden vom Gesetzgeber immer mehr und immer strengere Vorgaben erhalten. Für die Designer heißt dies, Produkte mit Langlebigkeit, Update-Möglichkeiten und Wiederverwertbarkeit zu entwerfen. Es geht um mehr als Recycling-Fähigkeit und Rückgewinnung von Rohstoffen.Komponenten werden in Zukunft noch leichter austauschbar und weiter verwendbar sein müssen, um Ressourcen zu schonen.

 

Herzlichen Dank für die interessanten Einblicke und Einschätzungen, die Sie gewährt haben.

Das Interview führte Andreas Huber (Founder designers for brands).

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